Auf eigene Faust in Irland
Bisher kann ich nur eines bestätigen. Als Frau hier alleine unterwegs zu sein, ist kein Problem.
Die Iren haben ein großes Talent. Sie können kommunizieren, mit allem und jedem. Sie scherzen gerne und nehmen einen auf die Schippe. Das aber mit absolut höflicher Herzlichkeit. In jeglicher Hinsicht. Ab einem gewissen Alter gibt es vermutlich auch ein gewisses Desinteresse 🙂 Doch auch als jüngere Frau würde ich mir hier nichts gedacht haben.
Für mich hatte sich die Möglichkeit, auf eigene Faust hier in Irland unterwegs zu sein, einfach so ergeben. Dass es auch noch zu meinem derzeitigen Lebensabschnitt so gut passt, empfinde ich als ein großes Geschenk. (Siehe hierzu „Nach Irland im Oktober“)
Langsam zeigt es sich, was es wirklich bedeutet, wenn ich mich auf niemanden sonst beziehen muss oder kann.
Die Vorteile des Alleinereisens:
1 Von einer Sekunde auf die andere kann ich meine Pläne über den Haufen werfen. Wenn es gerade wo ganz besonders schön ist, dann ändere ich kurzer Hand den Kurs.
2 Ich muss mich also auch vor niemandem sonst rechtfertigen oder erklären. Gefällt es mir anders besser, dann mache ich es einfach anders. Und wann ich esse… das ist das Allerbeste. Ich wusste gar nicht, dass ich einen ganz anderen Rhythmus habe. Es ist auch mengenmäßig so viel weniger. Eigentlich reichen mir zwei Mahlzeiten am Tag… Wenn ich zuhause für die Familie koche, ist das anders.
3 Sollte sich herausstellen, dass etwas nicht so ganz geglückt ist, darf ich die Suppe ganz alleine auslöffeln. Sich verfahren oder in der Unterkunftswahl irren, brauche ich keinem anhängen. Als Alleinreisende bin ich ganz alleine für mich und alles, was mir passiert, verantwortlich. Da kann ich mir die Story darum herum einfach sparen.
4 So viel geht nicht daneben, denn ich stelle fest, dass meine Intuition extrem gut funktioniert, wenn ich alleine bin. Ich höre mir besser zu, weshalb ich aufmerksamer mir gegenüber bin und die leisen, inneren Stimmen dadurch besser zu hören. Das ist gut!
5 Auch die äußeren Stimmen sind mehr. Ein Paar wird bei weitem nicht so oft in ein Gespräch verwickelt, wie eine Alleinreisende. Das Pärchen unterhält sich mehr untereinander und verpasst damit, wunderbare neue Menschen kennen zu lernen.
6 Als Paar zu verreisen hält eher davon ab, Englisch zu sprechen. Viel zu oft unterhält man sich doch in der Muttersprache. Mir geht es gerade so, dass ich anfange, in Englisch zu träumen und tagsüber mit mir englisch zu denken. Mein Gehirn ist etwas durcheinander gekommen, denn manches auf deutsch WhatsApp-Getippte wirkt etwas seltsam. Gut!
7 Die Komfortzone ist schmäler. Was Frau nicht alles so tut, wenn sie in Gesellschaft ist oder soll ich besser sagen, was sie alles nicht tut, wenn sie in Gesellschaft unterwegs ist. Vor allem mit dem eigenen Partner. Alleine gibt es einfach niemanden, an den man sich anlehnen könnte. Keinen, der stärker wäre oder besser Bescheid wüsste. Niemand, den es kümmert!
Wie fühle ich mich damit? Großartig! Mir selbst bleibt viel mehr Energie. Tatsächlich verbrauche ich so einiges meiner Kraft, um das Management für andere zu sein. Zum Lernen brauche ich persönlich meistens die Erfahrung. Anfassen, machen, üben. Ich zähle zu den kinästhetischen Lernern. Learning bei doing.
Gerade lerne ich, wie ich mit mir selber bin und klar komme.
Jetzt weiß ich:
Drama funktioniert nur mit Publikum 🙂
Der Vollständigkeit halber möchte ich auch kurz auf die Nachteile schauen:
1 Das Erlebte kann ich nicht wirklich mit meinen Lieben teilen.
2 Wenn das Pub leerer ist (es ist Nachsaison und ich esse ungern spät am Abend), komme ich mir doch ein bisschen blöd vor. Ein Buch oder Schreibzeug sind da aber eine gute Abhilfe.
3 Längere Distanzen allein zu fahren, ist anstrengend. So lege ich immer wieder Pausen ein und brauche doch einiges länger, um von A nach B zu kommen. Sehr nachteilig ist das aber auch wieder nicht. An jeder Ecke lauert hier eine andere Natursensation oder ein Megalith. Und so sehe ich wirklich viel von Irland.
4 Alle Entscheidungen für meine Reisepläne muss ich alleine treffen. Wann, wohin, welche Unterkunft… hat zwar gut geklappt, aber auch viel Zeit gekostet.
5 Bei einer neuen Unterkunft dauert es drei Nächte, bis das Bett „meins“ ist. Mit meinem Partner ist das viel leichter. Da habe ich was Gewohntes, an das ich mich halten kann. Mal überlegen, was ich nächstes Mal mitnehmen könnte, das mir schneller eine vertraute Atmosphäre schafft. Ein Plüschtier o.ä. Irgendwelche Vorschläge?
5 Kann man für Dublin eine Begleitperson buchen?
Das Resümee:
Unterm Strich sieht es echt gut aus dafür, als Frau alleine zu reisen!
Da für fast alle Nachteile die Lösung nahe liegt, gibt es nur einen wirklichen Nachteil: Dublin… hm… nachts, husch ins Körbchen… we will see! Da sind ja jetzt noch ein paar Tage hin.