…wie man es sich ausmalt, jedoch ganz anders.
Calais-Dover-Stonehenge-Swansea-Fishguard-Rosslare… wäre eine gute Idee gewesen. Im Kopf ja.
Mein Lieblingssatz, der Mensch denkt und Gott lenkt, erfüllt sich aufs Neue.
Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt. Auch ein Ausspruch, der zum Beginn unseres Urlaubs passt. Ich schreibe gar nicht mehr Irland-Urlaub, denn nach allem, was wir bis heute erlebt haben, werden wir sehen, ob wir bis dahin reisen werden. Wir sind jetzt auf spontan eingestellt und das ist gut so, wie wir feststellen können.
Jedenfalls lief die Fahrt bis Sonntagmittag hervorragend und da sich leichte Müdigkeit einstellte, haben wir beschlossen, in der Nähe der Autobahn eine Besichtigungspause einzulegen. Anstelle vom weiter südlich gelegenen Stonehenge, steuerten wir Avebury an. Dieser Steinkreis ist vielfach größer sogar als Stonehenge und für uns weniger bekannt. Die Straßenkarte zeigte hier eine Sehenswürdigkeit an. Und da waren wir. Es ist vermutlich einer gewissen Naivität geschuldet, dass wir bei google nur ungefähr 5 kleinere Steine angeordnet wahrgenommen haben. Drum blieben wir bei den ersten Steinen stehen und hüpften „kurz“ aus dem Bus. Schnell die Regenjacke und Gummistiefel angezogen und los mit dem Fotoapparat. Wir hatten nur das Nötigste dabei, denn wir dachten nicht, dass uns so eine große Formation erwartet, die uns ganz in ihren Bann zog.
Bis wir uns umgeschaut haben, waren wir mehr als 2 Stunden darin unterwegs und hielten u.a. unter uralten Buchen, um einen starken Schauer abzuwarten. Im Shop ließen wir uns zum ersten Mal von schrullig, englischem Krimskrams amüsieren und wollten „nachher“ mit Geld wiederkommen.
Pustekuchen.
Begleitet von einer äußerst gesprächigen, unwirklich wirkenden Dame (sie in kurzen Hosen wohlgemerkt, wir wohlgemerkt in voller Montur) kamen wir zum Bus zurück und stellen voller Schrecken fest: Scheibe eingebrochen, Tasche gestohlen.
Dann folgten die klassischen Dinge aufeinander:
– Polizei verständigen (Crime Reference Nr. bekommen)
– Karten sperren lassen
– Ausweis als gestohlen melden
Und all das am Sonntag. Erschwerte Bedingungen.
Da haben wir erst mal blöd geschaut. Bei Regen ohne Fahrerscheibe ist das dann auch kein Spaß. Also war das Nächste, was es zu tun gab, irgendwo Folie aufzutreiben. Am Sonntagabend keine leichte Übung.
Während wir also nach einer Art Baumarkt, Landhandel etc. suchten, schleuderte uns der Linksverkehr ein bisschen und wir verpassten die richtige Ausfahrt aus dem Kreisel. Wir drehten um und fragten ein Paar nach einer Möglichkeit für Folie. Sie überlegten und spontan sagte die Frau, wir sollen halten, sie hätten da noch was im Keller, was sie uns geben können. Was ein Glück!
Sie halfen uns noch den richtigen Weg zum Campingplatz zu finden.
Da angekommen stellten wir fest, dass wir nur noch Euros zum Zahlen hatten und unsere Karten ja nicht mehr funktionierten. Die Leute vom Campingplatz gaben uns Kredit, weil wir erst am nächsten Tag Geld wechseln konnten, schenkten sie uns zwei Bier für den Schock und waren voller ehrlichem Mitgefühl. Wir waren bestohlen und gleichzeitig fühlten wir uns tief berührt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die uns entgegengebracht wurde und wird.
In der Hoffnung, dass die Diebe nur das Geld wollten und den Rest weggeworfen haben, startete ich einen Facebookaufruf, denn möglicherweise würde ja jemand mein restliches Zeug (v.a. den Ausweis) finden. Wir sind vernetzt mit einigen englischen FreundInnen hier. Daher machte das Sinn.
Es wurde uns außerdem klar, dass ich ohne Ausweis nicht auf die Fähre nach Irland kommen würde. EU hin oder her.
Auch schrieb ich allen lokalen Radiosendern, ob sie nicht einen kurzen Aufruf dazu bringen könnten. Immerhin meldete sich davon eine bei mir, ließ sich alles erzählen, doch konnte ich nicht herausfinden, ob sie es gesendet haben…
Die erste Nacht in England ist jedenfalls traumlos. Und man kann sagen, wir waren noch ein relativ erstarrt von allem.
Im Morgengrauen beschloß ich, dass wir nochmal zur Polizei gehen und nach weiterem Vorgehen fragen werden. Nachdem wir nur telefonisch das Ganze gemeldet hatten, wollte ich nichts versäumen und noch ein paar Auskünfte erhalten.
Wir kamen allerdings dort an und finden die Polizeistation geschlossen vor. Am Montag. Na ja. Wir überlegten, zur nächsten Polizeistelle zu fahren, die lt. Google geöffnet hätte, als plötzlich ein Polizist auftauchte (aus dem scheinbare Nichts) und uns fragte, ob er uns helfen kann. Wir erzählten nochmal die ganze Geschichte und bekamen sofort und 4 km entfernt eine Werkstatt organisiert, die sich um unsere Scheibe kümmert. Diebstähle aus dem Auto seien in Avebury an der Tagesordnung, erfuhren wir noch nebenbei.
Es lag natürlich auch in unserer Verantwortung. Nirgendwo sollte man die Handtasche mit den wichtigen Dokumenten im Auto lassen!
Dennoch werde ich an unseren Reiseführerautor schreiben, dass ein Hinweis hier nicht schlecht wäre! Wir sind von Lonely Planet – Reiseführern absolut begeistert, but: There is always room for improvement.
Wir bekamen also unsere Scheibe repariert und beim Warten darauf, eine Tasse Tee angeboten. Tatsächlich mache ich die Erfahrung, dass in beschissenen Situationen, der legendäre Cup of Tea hält, was er verspricht: Die Welt sieht danach schon ein wenig anders aus. (Unser Favorit darunter ist von Cupper Earl Grey.)
In Sachen Ausweis stellte sich nun heraus, dass ein Ersatz für die Weiterreise (und Heimreise!) nur in einer der Botschaften zu bekommen ist. Für mich hieß das jetzt, zurück nach London, mitten ins Zentrum. Unterdessen erfuhren wir, dass es günstige Direktverbindungen mit megabus von allen größeren Städten aus gibt. Da wir sowieso Freunde in Bristol besuchen wollten (auf dem Heimweg), sind wir daher gleich direkt dorthin gefahren.
Niemals hätte ich gedacht, dass die Irlandreise einen London-Besuch beinhalten würde. Doch wie bereits eingangs bemerkt: Der Mensch denkt und Gott lenkt. Sowas von wahr!