Irland ist wirklich „The Emerald Island“
Die smaragdgrüne Insel ist wie ein Dosenöffner. Mit einem Mal ist das Herz offen und das dort Angestaute geht über wie Kohlensäure. Davon habe ich gehört. Doch dass es tatsächlich so sein wird, hat mich dennoch überrascht. Die vielen Puzzleteile ergeben nun so langsam Sinn und ein ganzes Bild. Irland ist wahrlich zum Weinen schön. Nach jeder Kurve hatte ich wirklich Tränen in den Augen vor atemberaubender Schönheit.
Irland hat also mein Herz geöffnet. Eigentlich wollte ich bald nach meiner Heimkehr mein Fazit zusammenfassen, aber ich brauchte jetzt die ganzen zwei Wochen, um mir über die Zeit auf der Insel klarer zu werden. Zuerst musste ich mich irgendwie mit dem Alltag, der hier auf mich gewartet hat, wieder anfreunden und ihn bewältigen. Da sprechen wir u.a. von mehr als zehn Maschinen Wäsche, die sich im Keller türmten. Ein leerer Kühlschrank, der mir entgegen gähnte… „Sie ist wieder da!“ Eine Woche war eindeutig zu kurz, um die Gewohnheiten meiner Mitbewohner zu durchbrechen!!!
Deswegen hat mich der nächste Urlaub auf eigenen Faust für mindestens drei Wochen verdient! Total überzeugt worden!
Außerdem weigert sich mein Inneres noch immer, in die deutsche Mentalität zurückzukehren. Wissen Sie, wie freundlich und achtsam man in Irland miteinander umgeht? Weder wurde ich auf der Straße bedrängt durch Auffahren, Lichthupen oder wilde Fuchteleien, wenn ich einfach mal länger brauchte, um die engen Kurven der Ministraßen zu bewältigen, noch als Fußgänger von SUV´s beinahe über den Haufen gefahren.
Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich im deutschen Drängelwahnsinn schon wieder „Hetz. Mich. Nicht.“ sagte in den letzten zwei Wochen. Überall rennt und drängt es. Leute, das ist einfach total ungesund!
Was anderes: Finden Sie nicht auch, dass das deutsche Ähnlichkeits- und Perfektionsphänomen schockierend ist? Jeder sucht das Besondere, aber alle sehen irgendwie gleich aus… die Mode ist eher langweilig angepasst… Wer hält eigentlich das geschmackliche Steuer in der Hand? Wer sagt, was „frau“ schön macht, was gerade en vogue ist? Ist das sowas wie ein heimliches Gesetz?
Mir hat das noch nie wirklich gefallen, da mitzumachen. Jahre schon habe ich irgendwie meinen eigenen Stil gefunden… allem voran der Lagenlook. Er dient für alle Gelegenheiten. Meine Lieblingsstücke sind von guter Qualität und angenehmen Materialien, die an Patina gewinnen und bequem sind. Mit den Jahren werden sie immer schöner. Ich mag kräftige Farbtupfer und Ethnomuster. Mir kommen selten unbequeme Schuhe an die Füße.
Warum passt dieser Punkt hier zum Irland-Fazit? Dadurch, dass ich so wenig Gepäck haben konnte, habe ich mich auf meine besten und bewährtesten Stücke beschränkt. Jetzt bestätigte sich damit meine Überzeugung noch mehr. Ich bin damit überall bestens gekleidet. In der Stadt, im Cafe, im Restaurant, im Pub… es hat niemanden interessiert, wie ich gekleidet war. Ich spürte und sah keinerlei abschätzenden Blicke. Der Blick ging vielmehr mit einem Lächeln ins Gesicht gegenüber, wenn man sich frägt: „How are you?“
In Irland dehnte sich die Zeit aus. Endlich hatte ich einmal Zeit, meine Gedanken schweifen zu lassen und zu Ende zu denken. Stundenlange Strandspaziergänge, Qigong zu üben, in Ruhe, nur für mich, in und mit der Natur oder drei Stunden Teatimes in gemütlichen Cafés… Verglichen mit einer Woche daheim, wirkte das mindestens wie doppelte Zeit. Dabei entwickelten sich neue Ideen und ich spürte wieder etwas von meiner kreativen Seite. Ich bin noch immer sehr inspiriert und habe Lust auf neue Muster in meinem Leben. Das möchte ich unbedingt bewahren.
Die Insel hat ihre ganz eigene Medizin. Die atemberaubende Natur nährt die Seele und die Lebensenergie tankt wieder auf. Das Wilde lebt wieder auf. Die Ursprünglichkeit eröffnet sich und nimmt einen mit, als wäre alles beseelt und spräche eine Einladung aus, der man sich nicht verwehren kann.
Doch ich habe nicht nur die Natur Irlands in mein Herz gelassen, sondern auch wunderbare Menschen.
Die irische Mentalität ist bezaubernd, die Kommunikationsfähigkeit erstaunlich. Ganz selbstverständlich unterhalten sich die Iren mit jedem. Und das auf ganz unaufdringliche Art. Wenn Sie wissen wollen, wie Smaltalk funktioniert, verbringen Sie ein paar Tage in Irland (außerhalb von Dublin) und lassen Sie sich einwickeln. Es funktioniert. Ich dachte immer, ich kann das nicht. Wie ich jetzt feststellte, ließ ich mich zu sehr auf die Signale des Gegenübers ein. Hier nehme ich oft überwiegende Reserviertheit wahr, etwas Misstrauen auch und vorsichtiges Ausloten. Ein bisschen wie Hunde an der Leine. Lässt man sie hingegen frei einander begegnen, machen sie das ganz nah auf Tuchfühlung miteinander aus. Entweder sie fangen an zu spielen oder knurren kurz und auch dann ist die Sachlage klar. Haben Sie schon mal davon gehört, dass es eher die Herrchen und Frauchen sind, die die Hundebegegnung durcheinander bringen? Ich glaube, da ist was dran. Vielleicht ist die irische Variante weniger gefährlich als wir denken. Kurz direkt ansprechen und dann entscheiden.
Ich habe mich in der Zeit jedenfalls nicht einen Tag einsam oder isoliert gefühlt. Wollte ich alleine sein, ging das easy. Drei Schritte in die Natur und man ist für sich.
Irland alleine zu bereisen ist daher wirklich eine tolle Sache. Smaltalk-Seminar inklusive.
Im Pub war ich schneller ins Gespräch verwickelt, als ich schauen konnte. Noch dazu mit einem Guiness oder einem lokalen Craft Beer in der Hand, interessierte man sich dafür, wo ich herkomme, ob ich alleine reise und natürlich für die Story dahinter. Stories sind immer gut. Geschichten gehören zum irischen Alltag. Hast Du schon gehört… Stell Dir vor… Wollen Sie Storytelling mit hohem Witzfaktor erleben? Dann besuchen Sie in der Nebensaison das lokale Pub, bestellen Sie sich eine Pint, genießen Sie die irische Trad Music und schauen Sie ins Kaminfeuer. Die Geschichte wird Ihnen frei Haus geliefert.
Ob Geschichten oder Musik, Irlands Seele offenbart sich am Abend im Pub, dem eigentlichen Wohnzimmer der Iren. Zumindest bei Leuten in meinem Alter und älter. Auch in Irland gibt es leider einen Trend hin zur digitalen Isolierung der Digital Native Generation…
Das Bildungssystem setzt dem jedoch so einiges entgegen. In irischen Schulen lernen alle Kinder Gälisch und ein traditionelles Instrument. Bayern diskutiert da noch über die Einführung von Mundart-Unterricht… für mich ist das eine wesentliche Gemüts- und Identifikationsfrage. Ich erinnere mich an meine letzten Schuljahre, in denen wir getriezt wurden, ja kein Wort mehr Bayrisch in der Schule zu sprechen. Auch die LehrerInnen wurden dazu angehalten! Lustig! Schon damals wollte ich mir meinen Ursprung nicht nehmen lassen. Ich kann doch selbst dafür sorgen, verstanden zu werden, wenn sich jemand schwer tut. Da entschied ich persönlich dafür, der deutschen Sprache so mächtig zu werden, dass ich zumindest in Schriftform glänzte, also im Grunde des Hochdeutschen mächtig wurde. Für die Entwicklung des Sprachzentrums sind Bayrisch und Hochdeutsch ebenso förderlich, wie sonstige Zweitsprachen im Kindergarten, zur Erweiterung der Kommunikationsfähigkeit nicht nur für fern, sondern auch für nah. Ein Blick in die nordischen europäischen Länder würde unserem Bildungssystem wirklich gut tun!
Vielleicht haben Iren und Bayern einen ähnlichen Dickkopf, was die Identifikation angeht. Oder die Vorliebe für gutes Bier macht uns gegenseitig sympathisch. Es gibt etwas, das passt zwischen Iren und Bayern.
Ich sehe jedenfalls, dass ich noch viel dort lernen kann.
Was ist also jetzt das Fazit des Fazits?
Sofort wieder! Länger! Noch mehr eintauchen!
Für nächstes Jahr gibt es bereits Pläne in Substanz. Eine Qigong-Reise in den Burren im Oktober 2019. Magische Orte in der Natur für Meditation und Energietanken besuchen. Ausflüge nach Galway, die Aran Islands und andere Naturspektakel… Abendliche Kaminfeuer im Pub genießen… was sagen Sie dazu?